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Julian Infanger
5. February 2021

Vom Dev zum UX'ler

Vor einem Jahr habe ich meinen ersten Job als UX Designer im We Are Cube Team bei Puzzle gestartet. Davor war ich knapp 10 Jahre in der Softwareentwicklung tägtig.

Da die beiden Themengebiete ein sehr breites Spektrum an verschiedenen Aufgaben beinhalten, ist es schwierig, allgemein gültige Aussagen zu machen. Gerne teile ich ein paar persönliche Erkentnisse, die ich während meiner Weiterbildung vom Dev zum UX Designer gewonnen habe.

Wie es dazu kam

Nach der Lehre als Applikationsentwickler bin ich durch Zufall in die Rolle «des Frontend-Entwicklers» in der damaligen Firma reingerutscht. Dadurch durfte ich mich unter anderem (und in einer einfachen Form) mit verschiedenen Themen wie Gestaltung, Benutzerführung, Barrierefreiheit, Prototyping, usw… beschäftigen.

Als wir dann für ein etwas grösseres Projekt mit einer externen Design-Agentur zusammenarbeiteten und ich mich an Meetings mit echten Experten austauschen durfte, war ich begeistert!

Ein paar Jahre später entschied ich mich, eine Weiterbildung zum Interaction Designer zu machen. Nach drei Jahren hatte ich den Studiengang «HF Interaction Design» an der Schule für Gestaltung Bern und Biel abgeschlossen.

Themen / Lektionen in der Weiterbildung
Themen / Lektionen in der Weiterbildung

Schwierigkeiten und Stolpersteine

Der Einstieg in die Welt der UX Designer war nicht immer ganz einfach. Es gab ein paar Punkte, mit denen ich besonders zu kämpfen hatte.

Design: Böxli, Schatten, Rahmen und zu wenig Abstand

Meine grafischen Fähigkeiten als Softwareentwickler waren relativ bescheiden. Meine Designvorschläge bestanden primär aus Böxli in verschiedenen Graustufen, alles hatte einen Schatten oder Rahmen und es gab überall viel zu wenig Abstand. Durch regelmässigen Austausch mit Mitstudenten (die meisten mit einen  Hintergrund als Grafiker) wurde das mit der Zeit jedoch ein bisschen besser.

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Böxli in Böxli in Böxli: häufig reicht etwas mehr Abstand, um eine visuelle Trennung hinzubekommen. Auch das Bild wirkt mit dem Verlauf besser im Inhalt integriert.

Zu schnell in Lösungen denken

Schon beim Durchlesen der Problemstellung oder des Auftrags habe ich mir jeweils überlegt, welche Technologie sich für die Umsetzung eignen würde, wie die Datenbankstruktur aussehen könnte, usw… Da ich somit bereits an einer sehr konkreten Lösung rumstudiert hatte, konnte ich mich nicht unvoreingenommen mit einzelnen Problemlösungen beschäftigen und es fiel mir schwer, eine kreative und gute Idee zu entwickeln.

Ausserdem beschäftigte ich mich so gedanklich schon mit der Lösung, bevor ich das Problem überhaupt richtig verstanden hatte.

Vorteile und Gemeinsamkeiten

Der technische Hintergrund war jedoch nicht immer nur schlecht, in vielen Situationen konnte ich auch davon profitieren und auf die Erfahrung als Softwareentwickler zurückgreifen.

Technische Anforderungen und technisches Verständnis

Da ich auch die technische Seite kenne, kann ich besser beurteilen, welche technischen Herausforderungen eine Idee mit sich bringt. Damit fällt es mir einfacher, Lösungen für Probleme zu finden, welche dann von den Entwicklern in einem vernünftigen Aufwand umsetzbar sind.

In vielen Projekten tausche ich mich direkt mit den Entwicklern aus. Hier hilft es sicher auch, dass wir «die gleiche Sprache sprechen». Eine gute Zusammenarbeit und eine klare Kommunikation im Team ist meiner Meinung nach ein sehr wichtiger Punkt in einem Projekt und die Arbeit macht so noch mehr Spass!

Komponenten / Patterns

Egal ob bei einer App, einer Website oder einem Design System, ich finde, dass Konsistenz ein wichtiger Punkt ist, welcher dafür sorgt, dass das Design sauber wirkt, die Benutzer sich zurecht finden und Elemente wiedererkannt werden. Dafür hilft es mir, dass ich sowieso bereits in Komponenten denke. Wenn ich z.B. eine Website anschaue, dann sehe ich automatisch das Markup und Komponenten, welche zum Beispiel in einem Flex-Layout positioniert sind. Das führ dazu, dass ich auch bei der Konzeption und Gestaltung nicht jeden Anwendungsfall einzeln umsetze, sondern einzelne wiederverwendbare Komponenten einsetze. So ist es einfacher, konsistent zu bleiben und die Umsetzung ist für die Entwickler auch einfacher, wenn sie bereits entwickelte Komponenten in mehreren Anwendungsfällen einsetzen können.

Da ich schon mehrere Jahre im Webbereich gearbeitet habe, sind mir die gängigen Patterns bekannt, welche gerne eingesetzt werden. Klar ist es auch mal gut, etwas anders zu machen, jedoch kann man häufig auf die bekannten Patterns zurückgreiffen, weil die Benutzer diese kennen und wissen, wie sie diese bedienen können. Auf ui-patterns.com sind viele Patterns mit jeweils hilfreichen Informationen zu finden.

Tools

Entwickler lieben Tools! Design- und Prototyping-Tools unterstützen von mir aus gesehen immer mehr das Entwickler Mindset (z.B. hat Figma mit dem neuen Auto Layout einen Schritt näher an Flexbox gemacht). So fällt es mir auch relativ leicht, mich mit diesen ganzen Tools zurecht zu finden und ich strebe danach, meine Prozesse und Arbeitsabläufe in diesen Tools so effizient wie möglich zu gestalten.

Learnings

UX Design != UI Design – Zum Glück :-)

UX Design ist nicht gleichzusetzen mit UI Design, sondern bietet eine Vielzahl an verschiedenen Tätigkeiten, unter anderem UI Design und Interaction Design. Es gibt Aufgaben, die mir leicht fallen, andere stellen mich vor Herausforderungen. Da ist es immer schön in einem guten Team zu arbeiten und von dem Wissen und der Unterstützung von verschiedenen Experten profitieren zu können.

Ich bin nach knapp einem Jahr immer noch nicht ganz sicher, mit welcher Jobbezeichnung ich auf die Frage “Was arbeitest du?” antworten soll. Die in vielen Fällen darauffolgende Frage “Was ist denn ein UX Designer / Interaction Designer / …” ist jeweils auch nicht ganz einfach zu beantworten.

Abschluss

Ich vermisse

Als Softwareentwickler hatte ich viel weniger Meetings und konnte dadurch auch mal ungestört einen ganzen Tag ohne Unterbruch an einem Projekt abreiten und mich richtig im Code verlieren. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es am neuen Job oder am Homeoffice liegt, aber die Meetings haben im letzten Jahr stark zugenommen.

Obwohl ich ab und zu noch kleine Sachen programmieren darf, bin ich natürlich nicht mehr gleichermassen in der technischen Entwicklung involviert. Ich befürchte, dass ich aufgrund der schnellebigen Technologie den Anschluss verliere könnte.

Und generell ist es halt schon ein sehr cooles Gefühl, ein Projekt oder eine Idee dem Nichts aus dem Boden zu stampfen.

Mir gefällt

Am besten gefällt mir der Austausch und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Leuten. Egal ob man sich mit einem Designer, Softwareentwickler oder einer Testperson unterhält, es kommen immer spannende und wichtige Inputs, wodurch ich mir ein Problem aus einem anderen Blickwinkel anschauen kann.

Konzeption, Recherche, Ideen suchen oder Designüberlegungen sind Themen, mit denen man sich zum Teil auch als Softwareentwickler beschäftigt. Meistens machte ich das jedoch nebenbei und möglichst schnell. Ich bin froh, dass diese Tätigkeiten jetzt fix zu meinem Beruf gehören.

Und ich bin froh, dass ich mich nicht mehr so oft mit irgendwelchen Dependency Problemen beim Setup eines Softwareprojekts auseinander setzen muss.

Fazit

Beides sind sehr spannende Berufe, welche ihre ganz eigene Faszination und Herausforderungen haben. Was ich die letzten Jahre gelernt habe, egal was mein Beruf ist: