Patient Journey Mapping für ein Virtual Reality (VR) MedTech Start-Up
Ausgangslage: UX-Roadmap für ein MedTech Spin-Off aus der Inselgruppe und Universität Bern
Für machineMD, einem MedTech Spin-Off der Inselgruppe und Universität Bern soll eine UX-Roadmap erstellt werden mit dem Ziel, Ansatzpunkte für User Experience zu definieren. Dafür führten wir zwei Workshops mit dem Kunden durch. An beiden Workshops durften wir mit fachlichen Expert*innen aus der Medizin (Neurologie), R&D und Produktentwicklung zusammenarbeiten.
machineMD entwickelt ein Medizinalprodukt für die Neuroophtalmologie, also für die medizinische Disziplin in der Schnittstelle zwischen den Neurologinnen und Augenärztinnen. Studien dazu zeigen, dass sich neurologische Erkrankungen auch von (dysfunktionalen) Bewegungen der Augen und Pupillen ableiten lassen. Im klinischen Alltag wird die Reihe an Untersuchungen meist manuell durchgeführt, was machineMD mit der Entwicklung eines Virtual Reality Device basierten Messgerätes zur Unterstützung der Diagnosestellung ändern will. Das Gerät soll Augen- und Pupillenbewegungen mittels Eye-Tracking messen, während die Patientin in einer virtuellen Welt diagnostische Aufgaben lösen soll. Verschiedene Nutzergruppen (B2E) sollten das Device auf eigene Weisen nutzen; Von der Praxisassistenz bis hin zu den ärztlichen Fachspezialisteninnen oder den Medizinaltechnikerinnen. Neuroopthalmologische Untersuchungen werden präventiv an Patienten jeden Alters und mit unterschiedlichsten Neurologischen und Ophthalmologischen Problemen durchgeführt - also eine sehr heterogene Patientengruppe, mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Hier sind neben Kindern, bei der Gamification eine wichtige Rolle spielen könnte, auch Senior*innen eine wichtige Zielgruppe.
Vorgehen: Von der Beobachtung zur Patient-Journey
Bevor wir mit dem Workshop beginnen konnten, machten wir uns in der Forschungseinrichtung für Neuroopthalmologie am Inselspital ein erstes Bild. Wir lernten die Inhalte und den Prozess der Untersuchung besser kennen, stellten viele Fragen zum Kontext und dem derzeit technischen Setup. Das Gespräch mit einem Techniker und einer Neurologin half uns sehr gut, den Kontext besser zu verstehen und erste Nutzerszenarien daraus abzuleiten.
In einem ersten Workshop haben drei UX-Architektinnen mit dem Kunden zusammen die Patient Journey erarbeitet. Hier galt es, möglichst rasch ein Domainewissen über den Untersuchungsprozess zu etablieren. Wir wollten viele Hypothesen und Fragen klären: Was passiert vor der Untersuchung? Welche Erfahrung macht die/der Patientin bei der Nutzung der VR-Brille? Wie fühlt er/sie sich dabei? Gibt es Nebenwirkungen (Motion Sickness) und wie gehen wir mit spezifischen Patientengruppen damit um? Welche Aufgaben muss die Fachperson nach der Untersuchung erledigen? Wie viele Devices gibt es und wie spielen sie alle zusammen? Zentral für diese Session war, dass neben Produktmanagern, Mitgründern auch die medizinischen Fachkräfte (Neurolog*innen und Forschende) dabei waren, um eine gemeinsame Basis zu schaffen. Viele inhaltliche Fragen können v.a. sie beantworten. Die nötige Zeit für einen UX-Workshop im klinischen Alltag zu finden ist eine Herausforderung, aber zahlt sich definitiv aus: Es sind diese kreativen und kollaborativen Momente, wenn sich verschiedene Köpfe aus unterschiedlichen Fachrichtungen zusammenschliessen und an einem komplexen Problem oder Prozess tüfteln und eine solide Grundlage für den Problemraum entwickeln.
Mit den erarbeiteten Insights wurden anschliessend verschiedene Nutzergruppen und deren Journey erstellt, sowie Challenges und Painpoints identifiziert. Die Inhalte der Untersuchung - die Testprotokolle - gaben zu diskutieren. Wie lassen sich diese in ein schönes Story-Telling einbinden? Aber auch, wie sich die Unboxing Experience weit vor der Untersuchung gestalten lässt und ein optimales Nutzer*in Erlebnis generiert.
Mit einem Storyboard haben wir erste Ideen zum Unboxing skizziert. Die VR-Software, respektive das Device, könnte für die Inbetriebnahme und Setup in Form eines Tutorials von den technischen Praxisassistentin direkt selber erprobt werden.
Der zweite Workshop wurde dem Prototyping gewidmet. Oft hilft es, abstrakte Konzepte und Ideen auf ein Blatt Papier zu bringen, um erste Lösungswege zu erarbeiten. Wir nutzen hier die Methode des “Studio Design Workshop”, bei dem jedes Teammitglied und alle Stakeholder innerhalb von drei Minuten einen Screen skizzieren sollten. Nach einer Feedback-Runde (I wish, I like, What If) wurde erneut iteriert, respektive assimiliert und Ideen kombiniert und zusammengetragen. Die letzte Runde war ein “Live” Low-Level Prototyping mit Balsamiq. Ein UX-Spezialist kümmerte sich um das Prototyping, Screensharing erlaubte es allen, mitzudenken und Ideen zu erarbeiten. Schliesslich helfen die Visualisierungen auch in der Weiterentwicklung von Ideen und schärfen das Verständnis für den Prozess und das zu entwickelnde Produkt.
Aus den Low-Fi Prototypes wurde anschliessend ein Dashboard in High-Fi erstellt, um einen ersten Vorschlag für den Look & Feel von machineMD Operator Interface zu simulieren.
Innert wenigen Stunden können mit Methoden wie dem “Design Studio Workshop” und einem kollaborativen User-Journey Mapping viele Ansatzpunkte für User Experience im VR Environment identifiziert werden und gemeinsame Touchpoints skizziert werden.
Das Beispiel zeigt weiter auf, dass durch die Anwesenheit und Ko-Kreation aller Fachexperten*innen aus Medizin und R&D viele Ideen mit Potenzial entstehen können und ein gemeinsames Prozessverständnis geschaffen wird. Die Patient-Experience beginnt eben nicht erst im Untersuchungsraum.