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Joshua Schär
23. August 2018

Stress, Burnout und interessierte Selbstgefährdung - ein Ausflug in die Arbeitspsychologie

“Reduce work in progress, stupid!” - ein gut gemeinter Ratschlag, aber… Wer kennt es nicht: viele Projekte laufen gleichzeitig, der Arbeitsalltag gleicht allmählich dem einer Agentur. Ständiger Kontextwechsel, hier ein Asset liefern, dort ein Expert-Review, dann noch schnell ein Mockup, ein Prototyp und zwischendrin viele Meetings. Auch wir Cubies kämpfen in den hektischen Phasen mit zu viel Stress.

Immer wieder kann man in den Zeitungen über Burnout lesen oder hört von Arbeits- oder sonstigen Kollegen darüber, wie es jemanden “usgteindlet het”, bzw. es zu einem Burnout gekommen ist. Aber was ist eigentlich genau ein Burnout?

No Stress - Now that’s a phrase I haven’t heard in a long time

Dieser Blogpost klärt zuerst den Begriff Burnout, beleuchtet dann das damit zusammenhängende Phänomen der interessierten Selbstgefährdung und zeigt schliesslich einige Möglichkeiten auf, wie wir mit dem Stress im Arbeitsalltag umgehen können.

Zur Auflockerung des Themas habe ich einige Memes eingefügt. Viel Spass.

Burnout

Burnout ist der Begriff für eine körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung aufgrund beruflicher Überlastung. Die Anzeichen für Burnout sind beispielsweise rasche Ermüdung, Gereiztheit, Ungeduld und starke Zweifel an der eigenen Arbeit. Die berufliche Überlastung wird meist durch Stress ausgelöst, der nicht mehr bewältigt werden kann.

Um das Entstehen eines Burnout besser verstehen zu können, müssen wir also einen Blick auf den Stress werfen.

Stress kann auch gut sein

Ein Burnout hängt stark mit Stress zusammen. Stress ist jedoch nicht nur negativ. Dank zahlreicher Studien weiss man, dass ein gewisses Mass an Stress und der richtige Umgang mit dem Stress zu besserer Leistung führt. Das bedeutet, dass die Qualität unserer Arbeit sogar noch gesteigert werden kann, wenn wir “richtig” gestresst sind. Es dürfte also nicht überraschen, dass zwischen zwei Stressarten unterschieden wird: dem Eustress und dem Distress. Eustress ist der gute Stress. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht lange anhaltet und mit Erholung wieder ausgeglichen wird. Der Distress ist der “böse” Stress, der negative Auswirkungen auf unser körperliches und psychisches Befinden hat. Typischerweise wird er nicht mit Erholung ausgeglichen. Fortwährender Stress, der nicht ausgeglichen wird, führt also irgendwann zu körperlicher und psychischen Erschöpfung.

Can’t decide If i need a hug, six shots or three month of sleep

Auf der Verhaltensebene haben sich Ausgleich, aktive Erholung, das Setzen von Grenzen und das Achten auf weniger Perfektionismus als effektive Massnahmen erwiesen. Im Arbeitskontext hat das betriebliche Gesundheitsmanagement grosse Bedeutung. Damit werden gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen gestaltet.

An dieser Stelle möchte ich noch weiter in den Arbeitskontext eintauchen. Arbeitnehmer arbeiten heute immer öfters freiwillig übermotiviert und gefährden damit ihre Gesundheit. Dies ist ein neues Phänomen und wird von Forschern “interessierte Selbstgefährdung” genannt.

Interessierte Selbstgefährdung

Der Philosoph Klaus Peters hat sich der Frage nach der Ursache der Zunahme von psychischen Belastungen angenommen. Dabei hat er das Konzept der indirekten Steuerung und interessierten Selbstgefährdung erarbeitet.

Mit indirekter Steuerung meint Peters einen Paradigmenwechsel der Unternehmen: Unternehmen stellen von der direkten auf die indirekte Steuerung um. Damit ist gemeint, dass Mitarbeitende durch Vorgesetzte quasi nur noch am Erfolg gemessen werden und nicht mehr an der Leistung. Dadurch werden Mitarbeitende im Angestelltenverhältnis gewissermassen zu unternehmerisch Selbstständigen. Sie bekommen mehr Autonomie und können sich ihre Arbeitszeit frei einteilen. Die Vorgesetzten interessieren sich dann weniger für den Arbeitsprozess, sondern für das Ergebnis. Das hat auch Vorteile, z.B. fällt die lähmende Kontrolle durch Vorgesetzte weg und Arbeit und Familie lässt sich unter Umständen besser vereinbaren. Es bedeutet aber auch, dass die Angestellten selbst schauen müssen, wie und in welcher Zeit sie ihre Aufgaben schaffen. Bei Engpässen wird auch ohne Anweisungen härter gearbeitet. Um erfolgreich zu sein, legen Mitarbeitende eine sehr hohe Leistungsdynamik an den Tag. Wenn nötig, wird dabei keine Rücksicht auf die eigene Gesundheit genommen. Aufgrund des grossen Interesses am beruflichen Erfolg kommt es zur interessierten Selbstgefährdung.

Selbstgefährdendes Verhalten kann auch als Bewältigungsstrategie verstanden werden. Diese Bewältigungsstrategie wird angewendet, um eine grosse Arbeitsmenge zu bewältigen, die durch das eben beschriebene Phänomen des selbständigen Unternehmertums entsteht. Es wird davon ausgegangen, dass selbstgefährdendes Verhalten zu Erschöpfungszuständen bis hin zu einem Burnout führen kann.

Who said work is stressful? I’m 35 and I feel great! (looking actually reeeealy old)

Bin ich betroffen?

An den nachfolgenden Anzeichen kannst du eine interessierte Selbstgefährdung bei dir selbst erkennen:

Falls du eine dieser Verhaltensweisen zeigst, solltest du im Detail folgende Fragen prüfen:

Umgang mit Stress

Was gibt es also für Möglichkeiten, allgemein mit Stress umzugehen? Ich habe einige Inputs in vier Gruppen eingeteilt: Tools, Studien, Umdenken und Praktische Tipps. Diese Inputs sind als ergänzende Anregung und Inspiration anzusehen. Natürlich gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, wie man mit Stress umgehen kann. Zudem bezieht sich diese Liste auf Massnahmen, welche persönlich angewendet werden können. Für die Unternehmen ist es empfehlenswert, ein systematisches, betriebliches Gesundheitsmanagement aufzubauen.

Tools

Come on inner peace, I don’t have all day

Studien

Umdenken

Praktische Tipps (Massnahmen zur Stressreduktion)

Health-Reminder
Health-Reminder

An meinem Arbeitsplatz erinnere ich mich mit einem kleinen Plakat namens “Health-Reminder”, s. Foto “Health-Reminder”.

In der compact Version von Psychologie Heute (Heft 53) habe ich zwölf “kleine Regeln, die den Alltag erleichtern” gefunden.

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Don’t stress, just take one step at a time